Villa Rustica Nürtingen

Römische Provinz: Germania Superior

Das muss man gesehen haben!

Die Villa Rustica von Nürtingen, eine der größten in Baden-Württemberg, wurde bei Erschließungsarbeiten des Neubaugebietes „In den Seelen“ entdeckt und wird daher auch oft so bezeichnet. Es war eines von mehreren Landgütern, die zur Versorgung des nur etwa 6 Kilometer entfernten Kastells in Köngen (Grinario) dienten.

Etwa ab 90 n. Chr., kurz nach der Errichtung des Kastells Grinario im nur wenige Meilen nördlich gelegenen Köngen, entstand an einem relativ steilen Hang ein Landgut, dessen Hauptgebäude zunächst nur ein einfacher quadratischer Wohnraum war, der später einen kleinen Anbau erhielt.

In einer zweiten Bauphase wurde wohl während der trajanischen Zeit um 117 n. Chr. nördlich dieser beiden Räume eine etwa 19 x 20 Meter große, repräsentative Risalitvilla angebaut. Die teilweise beheizbaren Wohnräume lagen dabei in den Ecktürmen (Risaliten) im Osten, zwischen denen es einen unterkellerten Verbindungsgang gab. Zwischen der Risalitvilla und dem älteren Bau wurde zudem in dieser Bauphase bereits eine kleine Badeanlage eingefügt, während der westliche Teil der Villa vermutlich aus einem offenen Hofbereich mit einer Herdstelle bestand.

Später wurde im Osten ein repräsentativer Portikusgang und ein Wohnraum mit Fußbodenheizung ergänzt und das alte Bad durch ein im Norden gelegenes, größeres Badegebäude ersetzt. Durch die steile Hanglage konnte nicht – wie sonst üblich – ein eigenes Badegebäude errichtet werden, aber der Hausherr wollte wohl auf diesen Luxus nicht verzichten und so baute man die beiden Baderäume einfach direkt an das Wohnhaus an.

Das Bad bestand aus einem Warmbad (caldarium) und einem noch recht gut erhaltenen Kaltbad (frigidarium), mit jeweils einer Badewanne in einer halbrunden Apsis und sicher hübsch bemalten Wänden. Beheizt wurden das Bad und der südlich davon gelegene Wohnraum durch eine Heizanlage im Osten, die etwas tiefer am Hang lag.

Nach der Zerstörung des Gutshofes durch einen Brand während eines Alamanneneinfalls um etwa 223 n. Chr., wurde der Gutshof teilweise wieder aufgebaut. An der Westseite wurden dabei mehrere Wirtschaftsgebäude und Holzschuppen angebaut, in denen mehrere Herdstellen und 2 Darren untergebracht waren. Doch auch dieser Gutshof wurde nur wenige Jahre später erneut zerstört und danach aufgegeben.

Der Gutshof wurde 1988 bei Erschließungsarbeiten im Neubaugebiet „In den Seelen“ entdeckt, in den folgenden Jahren mithilfe von vielen freiwilligen Helfern ausgegraben und die teilweise noch meterhohen Mauern anschließend konserviert. Hierbei wurde klar, dass die Villa Rustica eine Fläche von etwa 280 x 180 Metern besaß und von einer Hofmauer umgeben war. Neben dem Wohnhaus befanden sich in diesem Areal auch Wirtschaftsgebäude, Ställe und Werkstätten, die man anhand von Funden und Ziegelresten annähernd lokalisieren konnte.

Der Gutshof gehört zum Streckenteil Neckar-Alb der „Römerstraße Neckar-Alb-Aare“ und ist jederzeit frei zugänglich. Die Funde aus dem Gutshof sind im Stadtmuseum Nürtingen ausgestellt und der Schwäbische Heimatbund veranstaltet Führungen.

Lage: Römischer Gutshof „In den Seelen“, Friedrich-Glück-Straße, 72622 Nürtingen-Oberensingen

Link: www.roemerstrasse.net/entdecken/route/4/