Tavernenviertel am Cardo V

Römische Provinz: Italia

Die Kreuzung von Cardo V und Decumanus Inferiore war wohl das Tavernenviertel von Herculaneum, denn es gab hier mit der Großen Taverne, der Vasaria-Taverne und der Priapus-Taverne gleich 3 Läden, in denen man Essen und Getränke erhalten konnte.

Die Bewohner römischer Städte nahmen ihr Mittagessen meistens außer Haus ein, da sie in ihren Wohnungen oft keine Kochmöglichkeiten hatten. Daher gab es in den Städten eine große Anzahl an Weinschänken (taberna vinaria), Garküchen (thermopolium), Gastwirtschaften (caupona) und Imbisslokalen (popina), in denen man sich für wenig Geld verpflegen konnte.

In den Lokalen bekam man neben Wein meist schlichte Speisen, wie z.B. Eintöpfe mit Gemüse und Hülsenfrüchten, einfache Fleischgerichte, Würste oder Schinken und Gemüsegerichte, aber auch kalte Speisen wie z.B. Käsecreme (moretum), Oliven, eingelegtes Gemüse, Feigen, Nüsse und Brot. Als Getränk wurde dazu meist mit Wasser verdünnter Tresterwein (lora), Essigwasser (posca) oder Gewürzwein (vinum conditum) serviert.

Die Lokale waren üblicherweise zur Straße hin offen und besaßen einen gemauerten Tresen mit darin eingelassenen großen Tongefäßen (dolia), die die angebotenen Waren enthielten. Die warmen Gerichte wurden auf einer danebengelegenen gemauerten Herdstelle zubereitet. Stammgäste konnten an einfachen Tischen im hinteren Bereich des Lokals Platz nehmen, vor manchen Lokalen gab es auch gemauerte Bänke, die meisten Besucher aßen ihr Essen aber im Stehen oder nahmen es einfach für unterwegs mit.

Die Große Taverne war sowohl zum Decumanus Inferiore als auch zum Cardo V hin offen und gehörte sicher dem Hauseigentümer, denn sie besaß im hinteren Teil einen direkten Zugang zum Wohnhaus. In den u-förmigen, mit Marmor verkleideten Tresen waren 8 Tongefäße (dolia) eingelassen, auf einem treppenförmigen Regal war Platz für Serviergefäße und Becher. Unter dem Graffito eines Schiffs in einem der Hinterzimmer befindet sich ein frauenfeindlicher griechischer Sinnspruch, der übersetzt lautet: Diogenes, der Zyniker, erblickte eine Frau, die von einem Fluss weggerissen wurde, und rief: „Lass ein Unheil von einem anderen beseitigt werden“.

An der Außenseite des gleichen Wohnhauses, aber ohne direkten Zugang zu diesem, lag die Vasaria-Taverne. Sie bestand aus einem einzigen Raum und war wohl eher eine Weinhandlung oder ein Verkaufsladen für Amphoren (taberna vasaria). Auf einem auf halber Höhe eingezogenen hölzernen Zwischenboden (pergola) befand sich ein Wohnraum. An den seitlichen Wänden waren Regale eingelassen und an der Rückwand lagen hinter einer Trennwand eine Latrine und ein Lagerraum.

Die am Cardo V gelegene Priapus-Taverne verdankt ihren Namen einem Fresko mit dem Fruchtbarkeitsgott Priapus, das hinter dem Tresen angebracht war und den bösen Blick abwehren sollte. In einem halb in den Boden eingegrabenen Tongefäß im Verkaufsraum wurden bei den Ausgrabungen noch Walnüsse gefunden und neben dem Tresen gab es eine kleine in den Boden eingelassene Vorratsgrube. Auf den Sitzbänken des kleinen Hinterzimmers konnte man seine Speisen verzehren. Ein Durchgang verband das Lokal mit dem Wohnhaus des Besitzers.

Weitere Tavernen findet man beispielsweise auch am Decumanus Maximus neben dem Sitz der Augustalen und an der Ecke Decumanus Maximus/Cardo IV.

Lage: Grande Taberna, Taberna Vasaria & Taberna di Priapo, Insula IV.14-17, Parco Archeologico di Ercolano, Corso Resina 187, 80056 Ercolano