Bei der Rekonstruktion der Villa rustica von Hechingen-Stein entstand ein reizvoller Kontrast zwischen Originalbefund und Rekonstruktion, denn die eine Hälfte des Hauptgebäudes präsentiert sich heute komplett rekonstruiert, bei der anderen wurden nur die noch gut erhaltenen Grundmauern konserviert. Seit wenigen Jahren ist der Tempelbezirk, der größte zu einer Villa rustica gehörende in Süddeutschland, komplett rekonstruiert zu besichtigen.
Der Gutshof in Hechingen-Stein stammt aus dem 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr. und besitzt ein Haupthaus, das als Porticusvilla mit Eckrisaliten errichtet wurde. Mit einer Fläche von 5 Hektar handelt es sich hier um eine der am besten erhaltenen römischen Gutsanlagen im süddeutschen Raum.
Die Villa wurde 1971 vom damaligen Bürgermeister von Stein entdeckt und anschließend zwischen 1978 und 1981 durch das Landesdenkmalamt ausgegraben, konserviert und rekonstruiert. Dabei wurden Teile des Ostflügels der Villa auf ihren originalen Grundmauern komplett wiederaufgebaut und zusätzlich nach historischen Vorlagen und Funden originalgetreu ausgemalt und eingerichtet. Von der anderen Hälfte der Villa wurden die noch gut erhaltenen Grundmauern „nur“ konserviert, so dass man heute nebeneinander sowohl Originalbefunde als auch Rekonstruktion sehen kann. Die Gutsanlage wird seit 1992 durch einen Förderverein weiter ausgegraben und rekonstruiert, so dass inzwischen auch ein Tempelbezirk und mehrere Wirtschaftsgebäude (teil)rekonstruiert sind.
Das zweistöckige Hauptgebäude besteht aus einer etwa 30 Meter langen Portikushalle mit offenen Rundbögen und einer Freitreppe. An diese schließen auf beiden Seiten Eckrisaliten an, der in denen die Wohntrakte untergebracht waren und die über eine Hypokaustenheizung beheizt werden konnten. Einige der Wohnräume wurden rekonstruiert, u.a. das Speisezimmer (triclinium), die Küche, der Keller und die Schlafräume im Obergeschoss. In den Räumen werden zudem Originalfunde ausgestellt und Modelle gezeigt, es gibt ein Lapidarium und eine Videopräsentation informiert über die gesamte Anlage.
Das Badegebäude konnte man über eine überdachte Säulenhalle vom Haupthaus aus erreichen. Die Räume wie das Heißbad (caldarium), das Kaltbad (frigidarium) und die Latrine gruppierten sich hierbei um das Warmbad (tepidarium) in der Mitte.
Auf dem Gelände kann man außerdem mehrere Wirtschaftsgebäude besuchen, beispielsweise eine rekonstruierte Schmiede, einen Speicher (horreum), die Reste eines Mühlengebäudes mit 3 Darren, Bierbrauerei und römischem Backhaus und ein weiteres Gebäude, das entweder eine Herberge oder ein Wohngebäude war.
Eine Hofmauer mit einem Eingangsportal und bewohnten Ecktürmen, von denen einer rekonstruiert wurde, umgab das trapezförmige Gelände, das etwa 5 ha groß war. Die Gesamtlänge der Mauern betrug ca. 1 km, wobei die komplett rekonstruierte Westmauer 270 m lang war. Vermutlich diente die Mauer dabei aber nicht der Befestigung, sondern eher repräsentativen Zwecken. Anhand eines Teils der Umfassungsmauern, die im Ganzen umgestürzt war, konnte man die ursprüngliche Höhe mit mindestens 2,3 Metern ablesen. Vom Eckturm hat man heute einen guten Blick über das Gelände und auf die Burg Hohenzollern.
Im restlichen Hofgelände wurde sicher landwirtschaftlich genutzt und es wurde hier auch Obst und Gemüse angebaut. Heute ist auf dem Hofgelände zwischen Haupthaus und Badegebäude ein kleiner Kräutergarten angelegt, an der westlichen Hofmauer findet man einen Rosengarten mit alten Sorten.
Außerhalb der Hofmauer lag ein etwa 33 x 33 Meter großer ummauerter Heiliger Bezirk, in dem die Fundamente von mehreren, den unterschiedlichen Göttern geweihten Tempelchen (aediculae) ausgegraben wurden. Auch das Fundament einer Jupitergigantensäule, auf deren Spitze der Gott Jupiter auf einem Pferd dargestellt wurde, befand sich im Tempelbezirk. Eine Darstellung, die in der keltisch geprägten Provinz, in der die Pferdegöttin Epona besonders verehrt wurde, durchaus üblich war. In seiner Größe ist dieser Tempelbezirk in einem reinen Landgut eher ungewöhnlich, so dass es sich hier auch um ein bedeutendes Heiligtum der Region gehandelt haben könnte.
Die 10 Göttertempelchen, eine Portikushalle und die nach der Säule in Walheim rekonstruierte Jupitergigantensäule wurden nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen im Tempelbezirk rekonstruiert, farbig bemalt und im Jahr 2021 eröffnet. Auch wenn die quietschig-bunten Tempelchen und Altäre für die Götter uns heute recht ungewöhnlich vorkommen, weiß man in der Zwischenzeit, dass die antiken Statuen und Tempel mitnichten aus „klassisch-weißem“ Marmor bestanden, sondern in der Regel bemalt waren.
Das Freilichtmuseum, das zur Teilstrecke Neckar-Alb der „Römerstraße Neckar-Alb-Aare“ gehört, ist von April bis Oktober täglich, außer montags, gegen Eintrittsgebühr geöffnet. Der Förderverein Römisches Freilichtmuseum Hechingen-Stein e.V., dessen Mitglieder auch weiterhin Grabungen durchführen, veranstaltet Führungen, Sonderausstellungen, Angebote für Kinder und verschiedene Römerfeste.
Lage: Römisches Freilichtmuseum Hechingen-Stein e.V., Eichwäldle 1, 72379 Hechingen-Stein